Wie jedes Jahr am 9. Mai feiert auch in diesem Jahr, mitten in der Gesundheitskrise, das Europa von Frieden und Einheit, der Friedens-Nobelpreisträger, den Europatag. Zu feiern gibt es allerdings seit einigen Jahren schon nichts mehr. Spätestens seit der Euro-Krise so um 2009 und 2010, also im Zuge der Finanzkrise, verabschiedete sich Europa von den ursprünglichen Idealen und verfiel wieder in lange tot geglaubte Nationalismen. Es war ja nicht nur so, dass damals in Griechenland, auch unwidersprochen von der Regierung, Kanzlerin Angela Merkel als Hitlerkarrikatur verunglimpft wurde. In Polen und in Ungarn hatte schon die Erosion der Demokratie so langsam begonnen, und auch was aus anderen Staaten, die ich hier gar nicht nennen möchte, in den Nachrichten durchklang, sah nicht aus wie eine Hymne auf die Freiheit. In diesem Jahr erinnern wir uns zwar an dem 70. Jahrestag der Erklärung von Robert Schuman, aber der Geist der Solidarität ist längst verloren gegangen. Das zeigt auch heute erneut der Kampf gegen die Coronapandemie, denn die Grenzen wurden wieder hochgezogen und alte Ressentiments wach gerüttelt.
Auf die vielen unsäglichen Entwicklungen in den letzten zehn Jahren möchte ich ebenfalls nicht eingehen, man müsste eine Negativliste abarbeiten, was sich nicht lohnt. Die Sache ist gelaufen. Dabei bin ich kein Fatalist, dafür bin ich einfach zu europäisch eingestellt, aber ich möchte festhalten, dass ich an ein Vereintes Europa der Vaterländer oder Nationalstaaten ohnehin nie geglaubt habe. Vielmehr folge ich dem Ansatz, den die Universitätsprofessorin Ulrike Guérot (Universität Krens) derzeit zu neuer Blüte verhilft, nämlich der Vision eines "Europa der Regionen". Ulrike Guérot hat vor einiger Zeit in Aachen die Europäische Republik ausgerufen. Ihre Ansichten stellt sie vor in dem Buch "Warum Europa eine Republik werden muss".
Auch ich hatte mich schon in den frühen Jahren meiner Ausbildung an der Universität Lüttich für das Europa der Regionen engagiert, vielleicht deshalb weil gerade auch in Belgien die Diskussion über die Regionalisierung des Landes Fahrt aufnahm, die letztendlich in einer Verfassungsreform mündete, welche der deutschen Sprachgemeinschaft in Belgien den Status einer "deutschen Kulturgemeinschaft" in der belgischen Verfassung gewährte. Es war der Beginn eines langen Weges hin zur anerkannten Gemeinschaft innerhalb der belgischen Verfassung für ein kleines Gebiet, das heute mit offiziellem Anstrich auch als Ostbelgien bezeichnet wird.
In meinen Augen und in meinen Erwartungen an die Zukunft kann der jetzige Weg der Vereinigten Staaten von Europa nicht zu Frieden und Freiheit führen, wir sehen dies bereits heute in vielfacher Hinsicht. Rechtsradikale und nationalistische Kräfte zerstören in nahezu allen Mitgliedsländern die Grundlage für Freiheit und Demokratie, indem diese populistischen Strömungen an die tiefsten Instinkte im Menschen appellieren und leider in den meisten Staaten bei den Wahlen Ergebnisse zwischen 10% und 50% erzielen. I einigen Fällen jedenfalls genug um die Regierung zu stellen, manchmal sogar mit verfassungsrechtlich relevanten Mehrheiten. Wir sind also dort gelandet wo wir im 19. Jahrhundert und auch im frühen 20, Jahrhundert schon einmal waren, und stellen fest, das wir aus zwei verheerenden Kriegen nichts gelernt haben.
Wir können nur zu einem Europa in Frieden und Freiheit gelangen, wenn alle Bürger dieses Kontinents, egal wie groß dieser nun sein mag, gleich sind und gleiche Rechte haben. Wie ich dies sehe möchte ich erläutern in einer Reihe von Blogs die ich hierzu verfassen werde. Nun bin ich kein Publizist und auch ein Politiker, kann mich also nicht geschliffen ausdrücken und habe auch kaum Einfluss auf das was sich in Zukunft entwickeln wird. Aber eins weiß ich: das Europa so wie es sich heute entwickelt, wird keinen Bestand haben und das Schlimme ist, das alle dabei zusehen. Es gibt keine Visionen mehr, zumindest nicht bei der regierenden Klasse. Man erkennt hier und da junge Politiker die versuchen, eine Vision zu entwickeln, aber kann man darauf warten bis eine andere Klasse die politische Mehrheit erreicht hat? Es fehlen die Visionäre und Persönlichkeiten wie Schuman, Adenauer, de Gaspari und andere, selbst Kommissionpräsidenten wie Hallstein, Jean Rey oder Jacques Delors stehen in dieser Tradition, aber heute erkennt man keinen mehr der sich eindeutig positioniert und sich dahingehend äußert dass die Nationalstaaten verschwinden müssen, wenn das Haus Europa eine Chance haben soll. Statt sich selbst zu beweihräuchern, wie toll das Friedensprojekt doch eigentlich ist, sollte man herangehen den Zerfall aufzuhalten und neue Ideen zu entwickeln.
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