Die belgische Plenarsitzung der Konferenz zur Zukunft Europas
Am 19. Februar 2022 hatte ich die Freude an der finalen Sitzung des Plenums des belgischen Panels der Konferenz zur Zukunft Europas teilzunehmen. Freude deshalb, weil es nicht evident war, dass ich als einer der Vertreterinnen des Panels von Ostbelgien mitreisen durfte. So ging es denn auch recht früh morgens mit dem Zug ab Eupen über Brüssel-Nord zur Station Schuman, wo man direkt zwischen den beiden Gebäuden der Kommission, nämlich dem Berlaymont und dem Karl der Große (Charlemagne) ausstiegt.
Wir hatten uns in Ostbelgien in einem Forum Ende November mit unseren Forderungen an die EU für die Gestaltung der Zukunft Europas in einer öffentlichen Sitzung auseinandergesetzt und dabei, die besondere Lage als Grenzregion in den Fokus genommen. Unsere Forderungen an die EU wurden denn auch in drei Ideen definiert:
1. Die Grenzregionen im Vereinten Europa am Beispiel der Euregio Maas-Rhein und der Großregion Eifel-Lux-Saar-Lor – Der European Cross Border Mechanism (ECBM)
2. Europäische Strukturen, Demokratie, eine gemeinsame Innenpolitik - Angleichung der Gesetze, der Sozialgesetzgebung, der Löhne
3. Ein kulturellen Europäischen Binnenmarkt: Zugang zur Kultur aller europäischen Regionen, Stopp dem Geoblocking, Mehrsprachigkeit zum Kennenlernen und gegen Vorurteile.
Allerdings war ich im Vorfeld sehr enttäuscht darüber, wie wenig Resonanz diese europäische Dialog-Plattform in Ostbelgien gefunden hatte. Schon Monate zuvor wartete ich darauf, dass es auch in
Eupen oder Sankt Vith irgendwelche Verbände oder Sozialgruppen einen Panel gründen würden in den auch die Bewohner ihre Meinung und Visionen zur Zukunft Europas einbringen konnten. Dabei meine
ich jetzt nicht, dass es die Verantwortung der Parteien oder der Medien gewesen sein sollte, diese Foren zu starten, aber ich hätte gerade hier in der europäischen Grenzregion zwischen Limburg,
dem Rheinland und der Eifel erwartet, dass die Zukunft unseres Zusammenlebens doch etwas mehr Interesse und Beachtung finden würde.
So kam es dann dazu, das alleine das Parlament der Gemeinschaft im November sich verantwortlich sah zu einer Veranstaltung einzuladen um zumindest einen Panel zusammen zu stellen. Dieser wurde
zwar beworben, von der Parlamentsverwaltung selbst, aber ansonsten war bei den Medien und den Parteien nichts von Begeisterung zu spüren, die Bevölkerung zum Mitmachen im großen Stil
aufzufordern. Es waren denn auch gerade mal 32 Bürgerinnen anwesend, das sind gerade mal 0,0004% der Bevölkerung und wahrscheinlich etwa 0,0005% der wahlberechtigten Bürger über 16 Jahren. Ein
besonderes Engagement für die europäische Idee kann man daraus auch nicht ableiten, weshalb ich auch enttäuscht bin von unserem Europaparlamentarier Pascal Arimont, der sicher mehr Aufrufe an den
Tag hätte legen können um rechtzeitig einen größeren Teil der Bevölkerung zu mobilisieren. Damit will ich aber nicht darüber hinwegsehen, dass die Hauptverantwortung aber letztendlich bei den
Bürgerinnen selbst liegt und dass man sich letztendlich selbst an die Nase packen muss wenn Europa sehenden Auges auf den Abgrund zusteuert.
Wie dem auch sei, wir begaben uns zu Dritt nach Brüssel, begleitet von Vertreterinnen von Europa Direct, die für eine gute Organisation gesorgt hatten. Neben allen Provinzen war noch die
Delegation aus Ostbelgien im Planum vertreten sowie eine weitere des flämischen Jugendrates. Jeder Gruppe konnte dann drei Ideen vortragen. Wir trugen von unserer Seite die Ideen vor mit
einem besonderen Bezug zu unserem Grenzgebiet. Das waren zunächst die Strukturen der grenzüberschreitenden Organisationen in den Euregionen, um bestehende Missstände zu beheben und Hilfe
anzubieten. Neben der bereits bestehenden Euregio Maas Rhein Verwaltung (und der etwas weniger bekannten Großregion Eifel-Saar-Lux-Lor) ist das vor allen Dingen die Umsetzung und der Ausbau der
sogenannten European Cross Border Mechanism (ECBM), der in 2015 von der luxemburgischen Regierung während ihrer Präsidentschaft einmal im Rat der Europäischen Union vorgestellt worden war. Mit
ihm sollen grenzenlose Lebensräume geschaffen wurden durch Angleichung der Gesetzgebungen und durch den Zugang zu den Diensten und Dienstleistungen in den jeweiligen Ländern auf allen Gebieten
(Arbeit, Soziales, Kultur, …). Als zweites und drittes wurden zwei bereiche vorgetragen welche sich vor allen Dingen mit dem großen Thema Mehrsprachigkeit für alle EU-Bürger beschäftigte, um
einander besser zu verstehen, vor allem Vorurteile abzubauen und die Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten zu vervielfachen und letztendlich Zugang zur Kultur anderer Regionen und Länder zu
bekommen. So stellten wir uns sowohl eine gemeinsame EU-Innenpolitik ebenso vor wie einen gemeinsamen kulturellen Binnenmarkt, zum Beispiel durch das Abschaffen des Geoblocking in den
Medien.
Es waren dies nur drei der insgesamt 37 vorgetragenen Thesen, von denen einige, oder viele, durchaus beeindruckend logisch waren, ich komme darauf noch zurück. Denn nach einem Lunch in der
Kantine des „Charlemagne“ wurden die vorgetragen Ideen am frühen Nachmittag noch einmal in acht Hauptkategorien geclustert. Dabei gelang es uns Teilnehmern an den Tafelrunden einige unserer
vorgetragenen Ideen mit einzubringen und zu erläutern: es waren zunächst die gesamteuropäischen Forderungen nach einer europäischen Verfassung, dem Abschaffen des Vetorechts im Rat der EU, das
Initiativrecht für das Europäische Parlament, aber auch eben die Stärkung oder Fertigstellung des ECBM (grenzüberschreitenden Maßnahmen), die Abschaffung des Geoblocking, die Mehrsprachigkeit um
den Zugang zur kulturellen Vielfalt, zur Arbeit, und zur besseren Verständigung zu fördern, als Beitrag zu einer europäischen Identität, aber auch Elemente der Innenpolitik wie Vereinheitlichung
der Sozialgesetzgebung zum Beispiel. Wir konnten also alles in allem mit unserem Einsatz zufrieden sein.
Anschließend wurden die Ergebnisse noch vor drei Persönlichkeiten vorgetragen, von denen der bekannteste der MdEP und Vizepräsident des Komites für die Konferenz zur Zukunft Europa, Guy
Verhofstadt war. Gerade seine Antworten waren durchaus zustimmend bis positiv und er kann ja vielleicht auch einiges bewirken. Insgesamt war aber alles natürlich pro-europäisch, denn hier sitzen
eigentlich nur solche.
Die Online-Plattform der Konferenz wird nun dergestalt geschlossen, dass keine weiteren Beiträge mehr eingebracht werden können, aber ein Plenum aus ganz Europa wird sich nun mit der Auswertung
der Ideen und Forderungen auseinandersetzen und am 9. Mai 2022 die Vorschläge am Europatag präsentieren.
In Ostbelgien ist das Ganze wohl auch abgeschlossen, leider wie gesagt mit einer geringen Bürgerbeteiligung und wenig Input der Zivilgesellschaft. Ich hoffe dass dies kein schlechtes Omen für
unsere Gemeinschaft ist.
Kommentar schreiben