Episode 2: Kein Center Parcs in Hauset Brennhaag
Prolog
Es ist in diesen Tagen etwa 50 Jahre her, dass in unserer Heimat, im Eupener und im Sankt Vither Land, der Umweltschutz so langsam in das Bewusstsein der Bürger rückte. Im Jahr 1971 war gerade Greenpeace gegründet worden und der Schutz der Umwelt wurde damit zunächst ein globales Anliegen, noch bevor sich in unseren europäischen Ländern erst Initiativen und dann Parteien gründeten. In Deutschland entstand die Anti-Atomkraft Kampagne (Atomkraft? nein danke!). Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein verhielt es sich auch in den Gemeinden des deutschen Sprachgebiets nicht anders. AVES-Ostkantone zum Beispiel setzt sich seit 1969 für die Belange des Umweltschutzes in Ostbelgien ein, TERRA-Ostbelgien folgte 1988.
In Würdigung und Anerkennung des Einsatzes für den Schutz der Umwelt und den Erhalt der Natur in diesen letzten fünfzig Jahren durch die Bevölkerung der Gemeinde Raeren, folgt hier die Chronik von einigen ausgesuchten Ereignisse in dieser Zeit.
In diesen Beiträgen wird die Bewusstseinsbildung und der Einsatz der Einwohner für den Umwelt- und Landschaftsschutz der Gemeinden Raeren, Eynatten und Hauset chronologisch aufgearbeitet. Die Bewohner der Gemeinde Raeren können sich an die Fahne heften, von Anfang an mit dabei gewesen zu sein, wenn es galt die Bevölkerung für die Probleme des Umweltschutzes zu sensibilisieren und aktiv gegen umweltschädliche Projekte anzugehen. Somit sind diese Schilderungen eine Art Hommage an die Umweltaktivisten, die sich diesen Projekten in den Weg stellten.
Die vier Hauptbeeinträchtigungen von Natur und Umwelt, die behandelt werden sind:
- Die zügellose Bautätigkeit unter Missachtung des Sektorenplans
- Der Sandabbau am Bingeberg im Ortsteil Flög in Hauset
- Die Planung eines Ferienparks durch die Firma Center Parcs in Brennhaag (Hauset-Hergenrath)
- Die Planung eines Business Golfhotels in Eynatten Lichtenbusch
Die zügellose Ausweitung der Bautätigkeit
Die Einflüsse der Bautätigkeit auf die Umwelt, auch in der Gemeinde Raeren, sind so vielfältig, dass die thematische Behandlung und Chronologie dieser Entwicklung später behandelt wird, sie verlangt mehr Recherche. 1977 bildeten die einzelnen Dörfer neue Verwaltungseinheiten, wie die Gemeinden Raeren und Kelmis, aber schon zuvor, in den frühen 1970-er Jahren, war eine Entwicklung Thema vieler gesellschaftlicher Diskussionen, nämlich die Zersiedelung der Dörfer. Die starke Nachfrage nach Baugrund, auch aus dem Ausland, und das Angebot von Grundstücken seitens der Landwirte und Grundbesitzer, führte zu einem nie gesehenen Bauboom, der über zwei Jahrzehnte anhielt und auch heute noch immer fortbesteht. Dieser Trend führte zu vielen Reaktionen seitens der Bevölkerung. Gegen eine geregelte Bautätigkeit ist grundsätzlich nichts einzuwenden, allerdings geschah dies eben vielfach ungeplant und sorgte sehr oft für Verärgerung und für Widerstand in der Bevölkerung. Über lange Jahre kam es zu vielen Missachtungen des Sektorenplans und der Gesetze für Raumordnung.
Auf die Ansiedlungen im Wohnungsbau und den Ausbau von Gewerbeflächen soll aber wie gesagt in diesem vorliegenden Beitrag nicht eingegangen werden, sie hat aber sicher zu einer Sensibilisierung der Bürger für die Landentwicklung und die Umweltfragen beigetragen. Es war eine Entwicklung, die weit über die Gemeinde Raeren hinausging und bis heute gesellschaftlich auf der Tagesordnung steht, auch wegen fehlender Wohnungen und hoher Mietkosten.
Die Bürger schüttelten oft den Kopf ob der Entscheidungen, die durch die Behörden für Raumordnung getroffen wurden. Der Protest hielt sich aber in Grenzen, denn meist standen nur Einzelfälle in der „Baugenehmigungsarie“ im Fokus. Auch die Presse vermeldete hin und wieder einige Umweltsünden und Missachtungen der Sektorenpläne, meist nach Recherchen der Umweltorganisationen wie AVES-Ostkantone oder Terra Ostbelgien.
Inzwischen ist Belgien ein föderaler Staat geworden und die Raumordnung fiel zunächst in die Zuständigkeit der Wallonischen Region. Neuerdings sind diese Befugnisse allerdings auf die deutschsprachige Gemeinschaft übergegangen, sodass man hoffen kann, dass vieles besser werden wird.
Die Zerstörung des Bingeberg
In dem kleinen Dorf Hauset, das 1977 ein Ortsteil der neuen größeren Gemeinde Raeren wurde, war eine andere Umweltsünde Thema, nämlich die Ausbeutung einer
Sandgrube am Bingeberg, einem entlang der Staatsgrenze gelegenen Waldstück am Südausläufer des Aachener Waldes im Weiler Flög. Das Naherholungsgebiet Aachener Wald reichte, über die Grenze
hinweg, bis in die Gemeinde Hauset und war seit Jahrhunderten in topographischen Karten als Bingeberg vermerkt. Über die Geschichte dieser Sandgrube und deren illegaler Verfüllung mit Hausmüll,
Bauschutt sowie mit gefährlichen und umweltschädigen Stoffen wurde bereits in einem Beitrag (Blog) aus dem Jahre 2020 auf der Webseite www.hauset.info berichtet, unter dem Titel: Die Zerstörung des Bingeberg.
Der Blog ist dort nachzulesen und mit Bildern versehen.
Ein neues Umweltbewusstsein
In Raeren kamen allerdings in den 1980-er Jahren zwei neue Planungsvorhaben hinzu, welche die wachsamen Bürger gegen die Verantwortlichen der Gemeinde und gegen die Behörden auf den Plan riefen. Dies war zunächst die Planung für den Bau eines Ferienparks („Centre Parcs“) in Hauset und Hergenrath im Waldgebiet Brennhaag, sowie der Antrag für die Errichtung eines Golfplatzes mit Hotel („Business Golf Hotel“) im Freyenter Wald in Eynatten Lichtenbusch. In diesen eher ländlich geprägten Ortsteilen von Raeren und Kelmis ging die Bevölkerung gegen beide Vorhaben auf die Barrikaden und stellte sich den Planungen der Gemeindeverwaltung in den Weg.
Was trieb die Menschen um? War es die sichtbare Zersiedelung der Landschaft, die Sorge um die Zerstörung einer ländlichen Idylle, die den Menschen Ruhe und Geborgenheit bot oder war es eben auch das wachsende Umweltbewusstsein und der wachsende Einsatz für den Erhalt der Natur?
Bei den meisten Aktivisten und Aktivistinnen war es sicher eine Mischung von alldem. Bezeichnend war, dass nur ein Teil der Bevölkerung sich gegen die Verwirklichung dieser Vorhaben aktiv zur Wehr setzte, oft gab es sogar eine regelrechte Spaltung in den Dorfgemeinschaften, die auch politisch aufgeheizt wurde. Im ersten Fall war es so, dass die Erschließung der Sandgrube nur einen Teil der Bevölkerung belästigte, während der weitaus größere Teil vieles überhaupt nichts mitbekam und das Interesse an Naturschutz oder am Erhalt des Waldes wohl noch nicht in den Köpfen der Menschen verankert war. Im zweiten Fall wurde auf die touristische Bedeutung des Vorhabens für die Gemeinden und die ganze Gegend hingewiesen, Argumente, die man gegen den Erhalt der Landschaft und der Umwelt ausspielte. Im dritten Fall waren es ähnliche Gründe und der Hinweis auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, der herhalten musste in der Argumentation mit den Umweltaktivisten. In allen drei Auseinandersetzungen wurde deutlich, dass zumindest Teile der Bevölkerung schon viel weiter waren als die politisch Verantwortlichen in den Gemeinden, oder man muss sagen in den Gemeindeverwaltungen oder anderen Behörden. Diese ließen nämlich teilweise elementarste Umweltschutzmaßnahmen unberücksichtigt in ihren Argumenten.
Am Ende siegten immer die Natur und die Umwelt und dabei spielte vielleicht eine Rolle, dass inzwischen tatsächlich, und zwar Jahr für Jahr, das Umweltbewusstsein der Menschen zunahm, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass sich Umweltschutzparteien gründeten und viele zivilgesellschaftliche Umweltschutzorganisationen und Druckgruppen entstanden. Im großen Rahmen waren dies in unseren Gefilden die Grünen sowie Ecolo und Groen, aber auch Vereinigungen wie AVES-Ostkantone, TERRA Ostbelgien und einige andere, teils lokale Initiativen.
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Ein Center Parcs Feriendorf im Waldgebiet Brennhaag
Es war wohl am 14.2.1987, dass in der Tageszeitung Grenz-Echo zum ersten Mal die Nachricht
erschien, dass ein Ferienpark im Waldgebiet Brennhaag, entstehen sollte. Der vorgesehene Komplex sollte auf der ehemaligen Sandgrube gebaut werden, im gesamten Waldgebiet entlang der
Staatsgrenze auf dem Gebiet der früheren Gemeinden Hauset und Hergenrath, demnach heutzutage in den Gemeinden und Kelmis. Zuvor hatte das Grenz-Echo von den Planungen solcher Ferienparks nur aus
der belgischen Provinz Limburg berichtet, wo die in Rotterdam ansässige Firma schon einen solchen Park errichtet hatte und eine zweiten plante. Über diesen zweiten Park, „De Vossemeeren“
berichtete die Zeitung am 9. Dezember 1986 nahezu euphorisch, unter der unverfänglichen Rubrik „Reportage“.
Das Projekt wird konkret
Nach einer ersten Ankündigung blieb es dann zunächst das ganze Jahr über ruhig, der Raerener Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung hatten schon genug an der Backe, denn die illegale Verfüllung der ausgebeuteten Sandgrube in Hauset Bingeberg (Flög) sorgte doch für einigen Ärger. Und dann kam da noch bald eine neue Ankündigung hinzu, die eines Business Golf Hotels in Eynatten Lichtenbusch am Freyenter Wald. Das Grenz-Echo wurde aber wohl weiter mit Informationen gefüttert, denn noch am 17.10.1987 erschien ein Beitrag über das Unternehmen Center Parcs, eine PR-Aktion sozusagen. Der Leser erfuhr nämlich, dass das 1968 gegründete Unternehmen „expandierte“.
Welche Lobbyarbeit die Firma in den ersten Monaten des Jahres 1988 leistete ist nicht dokumentiert, man kann allerdings anhand späterer Äußerungen erkennen, dass hinter den Kulissen einiges geschah. Die Bevölkerung begann Fragen zu stellen und der Raerener Bürgermeister Croé sah sich veranlasst zu informieren.
Nachdem also die ursprüngliche Absichtserklärung von „Center Parcs“ aus dem Jahr 1987 nach wie vor aufrechterhalten wurde, musste doch an einer konkreten Planung gearbeitet worden sein. Am 9. Juni 1988 berichtete das Grenz-Echo auf der ersten Seite, dass das Thema „Center Parcs“ aktuell bleibt. Es ging immerhin um 700 Bungalows, die man auf dem alten Sandabbaugebiet in Brennhaag errichten wollte. Das Ganze sollte baulich „schön integriert“ werden. Der Leser erfuhr weiter, dass die Gemeindeverantwortlichen aus Raeren und Kelmis sich am Samstag, 11. Juni 1988 nach Lommel begeben wollten, um dort die nahe gelegenen Center Parcs zu besichtigen. Auch wollte man von den dortigen Bürgermeistern einiges erfahren.
Nach dieser Besichtigung nahm die Angelegenheit gesellschaftlich und medial langsam an Fahrt auf. Es erschienen die ersten Leserbriefe und es folgten die ersten Stellungnahmen. So war der Verkehrsverein Hauset eher vorsichtig optimistisch und teilte mit, „… dass die Errichtung eines Center Parcs wirtschaftlich zu befürworten sei, allerdings wollte man noch weitere Studien abwarten, um Bedenken auszuräumen.“ Welche Bedenken das waren teilte man nicht mit. Man kündigte allerdings ein Treffen der Bürgermeister von Raeren und Kelmis an und dann wollte man weitersehen.
Während der Verkehrsverein sich noch nicht festlegen wollte, bildeten sich erste Bürgerinitiativen gegen das Projekt in der Bevölkerung, vor allem in Hauset und Hergenrath. Aber bald kam auch Protest aus Eynatten hinzu, denn dort war die Diskussion über ein neues Planungsprojekt im vollen Gange, das bereits erwähnte Business Golf Hotel mit Golfanlage. Die Chronik dieser Geschichte wird in einem weiteren Blog getrennt behandelt.
Im Juli stellte der wallonische Minister Liénard in Eupen das „Handbuch für Raumordnung“ vor, was gleich eine Demonstration in Eupen hervorrief. Das Grenz-Echo berichtete in seiner Ausgabe vom 9. Juli 1988 darüber.
Nur fünf Tag später erschien in der Tageszeitung ein weiterer „PR-Beitrag“ über Center Parcs mit vor allem dem Hinweis, wie großartig es dem Unternehmen ging, aber vor allen Dingen wie die Gemeinde Lommel von dem „Paradies für Aktivurlaub in naturreicher Umgebung“ profitierte. Ein Leserbrief-Schreiben am gleichen Tag teilte mit, dass man Bohrungen im Waldgebiet Brennhaag beobachtet hatte. Die Planungen waren also im vollen Gange. Gemeinschaftsminister Grosch äußerte sich dann auch noch etwas vollmundig mit der Aussage, … er hoffe, dass im Dezember alle Pläne genehmigt sind“. Er wollte sicher Druck aufbauen, denn der Bürger wusste, dass im Oktober 1988 die Wahlen der Gemeinderäte im ganzen Land anstanden. Der Verkehrsverein Hauset sah sich nicht in der Lage eine weitere Stellungnahme abzugeben, solange noch viele Informationen fehlten. Allgemein setzte man sich jedoch für den Erhalt der Landschaft im Ortsteil Flög ein, denn dort war ja auch „die Kacke am Dampfen“.
Eine erste Skizze wird vorgestellt
In der Ausgabe des Grenz-Echo vom 30. Juli 1988 kam dann erstmals etwas Licht in das bisherige Dunkel des Projekts, denn Bürgermeister Cornel Bauens (Kelmis) erläuterte der Zeitung eine Vorskizze mit ersten konkreten Aufschlüssen zu der Planung eines Ferienpark-Projekts auf dem 120 Ha großen Gelände Brennhaag. Siehe Grenz-Echo vom 30. Juli 1988
Was dem ortskundigen Betrachter der Skizze auffiel war, dass weite Teile des Vorhabens in einem Waldgebiet lagen, welches im Kataster „die 90 Morgen“ genannt wird. Dieser Wald gehört ungeteilt allerdings drei Gemeinden, nämlich Raeren, Kelmis und Lontzen. Dies geht auf eine Abmachung aus dem 17. Jahrhundert zurück, als die Bank Walhorn die Nutzung des Waldes den drei Quartieren Astenet, Hergenrath und Hauset zubilligte. Diese drei Dörfer gehören heute eben zu Lontzen, Kelmis und Raeren. Der offiziell 90 Morgen genannte Flur beginnt am Adlerstein des Aachener Reiches am Übergang von Bingeberg zum Hühnertalweg, dort wo heute das „Landgrabendenkmal“ des KuKuK genau an diesem Landgraben steht, und reicht bis vor die Tore Hergenraths.
Der Bürgermeister erklärte das Projekt überschwänglich, alle vorgetragenen Probleme seien bereits berücksichtigt. Reporter Werner Keutgen gab alles getreu wieder.
Irgendwie war die Skizze wohl auch in die Hände der Opposition des Raerener Gemeinderats geraten und weil Bürgermeister Croé noch in Urlaub weilte, ergriffen die Hauseter Mitglieder der Opposition die Initiative und riefen eine Bürgerversammlung ein. Über diese Bürgerversammlung, die als Informationsversammlung angekündigt war, berichtete das Grenz-Echo am 1. August 1988 ausführlich. Es nahmen 150 Bürger an dieser Versammlung teil, die Mehrzweckhalle war bis auf den letzten Platz gefüllt. Im Nachgang zu der Versammlung konnte man feststellen, dass die Meinungsbildung bei den politischen Vertretern noch nicht abgeschlossen war und man sich auch nicht festlegen wollte. Klar war nur die Position der Bürgerinitiative, die ihre Argumente deutlich vortragen konnte.
Das Grenz-Echo berichtete am 2. August, dass die Proteste gegen den Center Parcs in Bispingen in der Lüneburger Heide diesen nicht verhindern konnten und der Bau begonnen habe. Auch über den Center Parcs in Lommel sang das Grenz-Echo weiterhin Lobeshymnen (Ausgabe vom 12. August 1988 „Saftige Steuereinnahmen und Aufschwung allerorts“). Wenn auch diese Art der „Berichterstattung“ legitim ist, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier doch ein wenig PR-Beihilfe gewährt wurde. Hätte man nicht die Argumente der Projektgegner hin und wieder auch prominent und seitenweise darlegen können? Die Bürgerinitiative Hauset-Hergenrath hatte zumindest in der Tagespresse nicht die gleichen Möglichkeiten, den Lesern ihre Argumente vorzutragen. Auch im Fall des Ferienparks war es so, dass die Bevölkerung in den beiden Dörfern in Befürworter und Gegner aufgeteilt war.
Zehn Jahre nach dem ersten Desaster eines Projekts mit weitreichenden Umweltfolgen, war es aber zumindest im Ferienpark-Vorhaben so, dass der Widerstand von Umweltaktivisten oder sagen wir lieber von Bürgern mit wachsendem Umweltbewusstsein eine weitaus größere Chance hatten, dass ihre Argumente Gehör fanden. In der Gemeinde ließ sich nicht mehr alles verheimlichen, so wie zuvor, der Bürger war wachsamer geworden und immer mehr Menschen dachten naturbewusst. Auch das gesamte politische Umfeld spielte sicher eine Rolle. Insofern war es schon überraschend, dass die Gemeinderäte und deren Mitglieder noch den Forderungen nach Landschaftsschutz hinterherhinkten, und dies gerade in einer Gemeinde wie Raeren. Natürlich standen die achtziger Jahre ganz im Zeichen des Familienurlaubs und des Golfbooms, aber auf den Gedanken eigene Konzept zur touristischen Entwicklung einzubringen, in Einklang mit Natur und Umwelt, kam wohl keiner der politisch Verantwortlichen. Das Gebiet hatte gerade eine gewisse Autonomie gewonnen (1973), es sollte aber noch satte zwanzig Jahre dauern, bis die Regierung der Gemeinschaft schrittweise das Heft in die Hand nahm und sich zumindest bemühte, Perspektiven für eine ländliche Entwicklung im Schatten von Ballungszentren zu entwickeln.
Leserbriefe wurden ab August zwar häufiger, aber diese hatten natürlich nicht den gleichen Stellenwert wie vollwertige Beiträge in der Tageszeitung. Interessant war auch eine Stellungnahme der Versammlung des Freundeskreis CDU/CSP in Eynatten, die empfahl, man möge doch Großprojekte nicht nach Hauruckart durchboxen (GE vom 16. August 1988). Auch der Raerener Jugendbeirat positionierte sich klar gegen Center Parcs und bekannte sich zu mehr Transparenz, mehr Umweltbewusstsein und mehr Wertschätzung für Landschaft, Dorfcharakter und Lebensqualität (GE 19. August 1988).
Bürgerversammlung als Information
Nachdem sich auch der Gemeinderat Kelmis am 3. August 1988 mit dem Projekt beschäftigt hatte, kündigte man für den 19. August 1988 eine Bürgerversammlung an. Auf dieser ging es dann hoch her. Das Grenz-Echo berichtete am 22. August 1988 darüber und sprach von „… gespannter Atmosphäre und Deutschenhass“. Der Versammlungsleiter Bürgermeister Cornel Bauens hatte dabei einen schweren Stand. Er wollte zwar lediglich informieren, aber diese Information war recht einseitig, denn sie war deutlich für das Projekt positioniert. Insofern war es nicht überraschend, dass die Argumente auch recht bald lautstark und emotional ausgetauscht wurden. „Hätten sie lieber Schornsteine, die die Gegend verpesten statt Soft-Industrie“ meinte denn auch ein Befürworter. Als Bürgermeister Bauens dann noch sagte, „… wir sind gewählte Vertreter der Gemeinde und als solche werden wir entscheiden“, da brachte „… der gesamte Saal die Abneigung gegen diese Äußerung zum Ausdruck“ schrieb der Berichterstatter des Grenz-Echos. Es war wohl eine ungeschickte Äußerung, die aber zeigte, wie seinerzeit die Gemeindevertreter dachten und entschieden. Bauens setzte noch einen drauf, als er abschließend meinte „ … sagen wir einfach nein, wir Idioten. Die nächste Gemeinde wird den Park schon nehmen, vielleicht Eupen oder sogar Aachen“. Der Berichterstatter schrieb dann noch weiter, „ … dass auch immer wieder der Hass gegen die zugezogenen Bürger aus der Bundesrepublik Deutschland deutlich wurde“. Woher das wohl kam? Und warum ließ Bürgermeister Bauens das widerspruchslos zu?
Auch in der Retrospektive betrachtet war allerdings dieser Zeitpunkt, Anfang August, der Kipppunkt zugunsten der Projektgegner, denn es standen Gemeinderatswahlen ins Haus. Der Wahlkampf begann schon Ende August und am folgenden Freitag hatte der Raerener Gemeinderat mitgeteilt, man werde am 9. September das Thema Center Parcs für der Ratssitzung auf die Tagesordnung setzen, mit dem Gedanken und der Empfehlung, die Entscheidung dem neuen Gemeinderat zu überlassen.
Die Initiativen und die Politik positionieren sich
Zunächst aber organisierte die Bürgerinitiative Hauset-Hergenrath am 21. August 1988 eine Ortsbesichtigung, die regen Zulauf fand. Auch der frühere Hauseter Förster Decheneux war mit dabei. Das Grenz-Echo berichtete am 25.8.1988 diesmal recht groß darüber, unter dem Titel „Erbe der Väter darf nicht verkauft werden“ und verfiel sogar in ein gewisses Pathos bei der Beschreibung der Stimmung der Teilnehmer. Auch über die anstehende Gründung einer G.o.E. am 23.8. wurde gemeldet, und in der Ausgabe vom 25. August berichtete das GE auch darüber in recht großer Aufmachung. Der Kampf trat also in eine akute Phase. Der Verein sollte zu einer Bündelung der Kräfte gegen die Projekte Center Parcs und Business Golf Hotel führen. Unterschriftenlisten kursierten in den drei Dörfern, über 1000 solcher Unterschriften kamen zusammen.
Schon am 29. August 1988 (GE) positionierte sich die Liste „Mit uns“ in Raeren gegen den Center Parcs. Daraufhin vertagt eine mögliche dritte Liste Ihre Entscheidung über eine Kandidatur. Es kam nun zu zahlreichen Leserbriefen in der Tageszeitung, meist waren es Wortmeldungen und Argumente gegen den Ferienpark und für den Erhalt des Waldes.
Interessant war die Meinung eines Lesers, der noch hinzufügte, dass es doch gerade die „Gemeindeväter“ sein sollten, die sich für Leben und Gesundheit ihrer Einwohner einsetzen. Noch sei es Zeit zur Besinnung und Umkehr. Eine andere Leserin aus Hergenrath sah sich noch einmal veranlasst, ihre große Enttäuschung darüber zum Ausdruck zu bringen, mit wieviel Antipathie man in der Gemeinde (gemeint war Kelmis) den dort lebenden Deutschen entgegentritt.
Man kann nur hoffen, dass es heute besser ist, wenngleich die Lockdowns in Coronazeiten hin und wieder eine ähnliche Haltung offenlegten, aber das waren wohl die Ausnahmen. Schon zwanzig Jahre später kam es zu dem Entscheid auf europäischer Ebene, dass alle EU-Bürger an ihren Wohnorten in den Gemeinden wählen dürfen. Dies müsste dann eigentlich dem letzten Verblendeten vor Augen geführt haben, was europäische Einigung und Menschenrechte für alle eigentlich bedeuten.
Auf der angekündigten Ratssitzung vom 5. September 1988 sprachen sich die Kelmiser „Gemeindeväter“
(GE), sowohl der Mehrheitsfraktion als auch der Opposition (PFF), für das geplante touristische Großprojekt aus. Das Center-Parc-Project sei eine gute Sache titelte das GE am 7.9.88.
Bereits am 15.9.1988 meldete sich noch einmal Terra Ostbelgien zu Wort, und führte die versprochenen wirtschaftlichen Vorteile
ad absurdum. Wann so fragte Terra, wird den Gemeinde-Vertretern klar, dass die Versprechungen dieses Großunternehmens hohl sind?
Drohendes Ende?
Der Wahlkampf und die Wahlen zu den Gemeinderäten
Im Wahlkampf in Kelmis ging es also nicht so kontrovers zu wie in Raeren, hier stand eine mehrheitliche Meinung zu dem Projekt. Wenn auch die PFF sich positiv geäußert hatte, so kritisierte man doch Gemeinschaftsminister Grosch (CSP), der schon vorab angekündigt hatte, die Sache sei vor Ende des Jahres gelaufen.
Und jetzt kam ein neuer Paukenschlag mitten im Wahlkampf. Die Gemeinde Lontzen machte geltend, dass sie Mitbesitzerin des „Center-Parc-Walds“ sei. In der Tat hatten wurde schon weiter oben darauf hingewiesen, dass der Wald, wie nun auch vom Grenz-Echo erläutert (23. 9.1988), ungeteilt den drei Gemeinden Kelmis, Lontzen und Raeren gehörte. Zwar meinte das Grenz-Echo, dass dieser Umstand in der Öffentlichkeit wenig bekannt gewesen sei, richtig ist wahrscheinlich aber, dass es die Gemeindevertreter von Raeren und Kelmis erst dann auf dem Schirm hatten, als es um den Verkauf des Waldes an die Projektfirma ging. Irgendjemand musste Ihnen gesagt haben, was eigentlich Allgemeinwissen war. Lontzen hingegen erklärte, dass es wahrscheinlich auch nach den Kommunalwahlen keine Mehrheit für einen Verkauf geben werde. Ein weiterer Schlag ins Kontor für die Gemeindevertreter der beiden anderen Gemeinden.
In einem Interview, welches am 30. September 1988 im Grenz-Echo veröffentlicht wurde, zog Cornel Bauens Bilanz seiner Tätigkeit als Bürgermeister von Kelmis, ein Amt, dass er drei Jahre ausgeübt hatte. Seine Zustimmung für Center-Parcs blieb dabei ungebrochen. Noch immer wurden auch Leserbriefe ausgetauscht mit dem GE, meist mit einleuchtenden Argumenten gegen das Projekt. Im Wahlkampf war es wichtig, seine Argumente auf den Tisch zu legen. So tauchte auch noch einmal die Verkehrsbelastung durch pendelnde PKWs auf. Andererseits berichtete das Grenz-Echo, jetzt in etwas kleinerer Aufmachung, über eine „Umweltauszeichnung“ für Center Parcs. Wo? In Nottinghamshire! Ein Leserbrief aus Hauset ordnete die Wertigkeit dieses Preises korrekt ein.
Nun wurde auch noch eine Standort-Alternative in Raeren bekannt gemacht, von der man zunächst gar nicht wusste, wer sie in Umlauf gebracht hatte. Die Alternative war ein Wiesengelände zwischen Eynatten und Raeren. Später erfuhr man, dass die Firma Center Parcs daran nicht interessiert gewesen sei.
Hinter der Interessensgruppe der alternativen Studie standen laut Bgm. Reinhold Croé immerhin Leute wie der wallonische Minister-Präsident Melchior Wathelet nebst Sekretär, der Vorsitzende der Exekutive in Eupen, Joseph Maraite, mit seinem Berater Hans Engels, der Direktor des Verkehrsamtes (Verkehr steht hier für Tourismus) Manfred Dahmen und dessen Vizepräsident Timmermann.
Die Gemeinderatswahlen fanden am 9. Oktober 1988 statt.
Die Ergebnisse der Gemeinderatswahl in Raeren brachten der Liste „Mit uns“ einen deutlichen Sieg. Sie hatte sich im Wahlkampf gegen das Projekt Center Parcs ausgesprochen. Bruno Fagnoul wurde nun Bürgermeister und somit war das Thema erst einmal vom Tisch.
Überraschende Wende
Bereits am 25. Oktober 1988 berichtete das Grenz-Echo in einem Beitrag, dass laut einer Verlautbarung in der Tageszeitung „De Volkskrant“ in Amsterdam, dieses niederländische Blatt in einem Interview mit Vize-Direktor R. Jansen erfuhr, dass der Ferienpark im Grenzgebiet zu Belgien „abgeblasen“ sei. Die Neuigkeit war den Vertretern der Gemeinden in Raeren und Kelmis noch nicht bekannt. Als Gründe gab Jansen an, dass die Proteste der Bevölkerung den Ausschlag gegeben hätten, ebenso wie die Tatsache, dass man hätte entscheiden müssen zwischen diesem Standort und Maasmechelen. Diese Aussage wurde denn auch auf Anfrage des GE von der Managerin für Öffentlichkeitsarbeit der Firma, Monique Dekking bestätigt. Einen Zusammenhang mit dem Wahlausgang in Raeren, der die Gegner des Projekts ans Ruder gebracht hatte, verneinte sie allerdings. Später wurde aber noch erklärt, dass die Bohrungen im Wald ergeben hätten, dass der Bau der Fundamente wohl sehr aufwendig gewesen wäre, ob der Bodenbeschaffenheit.
Der Center Parc in Brennhaag ist gestorben
Parallel hierzu drang an die Öffentlichkeit, dass an der Börse die Aktie von Center Parcs inzwischen in den Keller gerutscht sei (GE vom 28.10.1988), für die Tageszeitung noch einmal ein Anlass die Firmengeschichte nachzuzeichnen. Am 28. Oktober wurde es aber auch offiziell, das Ferienpark-Projekt im Wald Brennhaag zwischen Hauset und Hergenrath war gestorben. In den Räumlichkeiten der DG in Eupen war eine Delegation der Firma unter Leitung von Direktor Van der Dussen erschienen die mitteilte, dass die schlechten Bodenverhältnisse des betreffenden Geländes der Grund für die Absage waren. Somit hatten die Gemeindevertreter von Kelmis, mit Bürgermeister Bauens an der Spitze, wohl insofern ihr Gesicht wahren können. Sie waren an allem nicht Schuld und hatten doch ihr Möglichstes getan.
Ostbelgien bliebe als Standort nach wie vor interessant, titelte das Grenz-Echo am 21. November 1988, weshalb Kelmis sich heranmachte einen solchen Standort zu suchen. Am 28. November stand in der Zeitung, der Standort Preuswald würde in Betracht gezogen.
Terra Ostbelgien meldete sich gleich zu Wort und war gegen den möglichen neuen Standort, gerade im Preuswald. Ähnlich wie Brennhaag sei der Standort für Massentourismus zu schade. Sichtbare Spuren der wechselvollen Geschichte eines Gebietes würden einfach vernichtet. Auch liege der Preuswald zwar in Kelmis, er gehöre aber dem König und der Gemeinde Bleyberg und im Wahlkampf hätte sich eine Mehrheit in Bleyberg gegen Massentourismus ausgesprochen.
Am 30. November kam dann sogar Gemmenich ins Gespräch, aber auch daraus wurde nichts. Ganz allgemein blieb das Thema Ferienparks und Golfplätze in der gesamten Euregio stets auf der Tagesordnung, aber ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung und die verschiedensten Umweltschutzorganisationen oder Einrichtungen wie zum Beispiel die Kulturelle Aktion und Präsenz (KAP) sprachen sich dafür aus, den Lebensraum in der Euregio über Grenzen hinweg zu schützen.
War das Thema für Raeren ad acta, so hatte sich Kelmis noch weiter bemüht. Ecolo meinte zu wissen, dass das Projekt Center Parcs, auf einer Schöffensitzung von einigen Tagen zuvor, abgeblasen sei. Der neue und alte Bürgermeister Cornel Bauens zuckte daraufhin nur mit den Schultern, er wisse nichts von einem solchen Bericht. Letzte Zuckungen gab es auch in Lontzen, wo der Gedanke aufgekommen war, auch Privatwald zu nutzen. Der Bau eines Ferienparks in Maasmechelen stand jedoch weiter in den Sternen. In Dilsen-Stokkem wurde erst 2021 ein Premium Terhills Resort by Center Parcs eröffnet.
Am 6. Juli 1989 berichtete das Grenz-Echo, die Firma Center Parcs sei für 13,9 Milliarden Franken an eine britische Brauerei verkauft worden. Das Thema war danach endgültig aus den Schlagzeilen verschwunden.
Epilog
Im Gegensatz zu dem Projekt des Sandabbaus in Hauset Flög „Bingeberg“ konnte die Bürgerinitiative das Ferienparkprojekt in Hauset/Hergenrath „Brennhaag“ erfolgreich verhindern. Der Widerstand war gewachsen. Zehn Jahre zuvor waren mit der Ausbeutung der Sandgrube schon Fakten geschaffen worden, bevor der Widerstand überhaupt richtig in Fahrt kam. Der Widerstand hatte sich auch weniger an dem Sandabbau und der Zerstörung des Bingeberg abgearbeitet, da standen die Anwohner ziemlich allein. Das war einige weitere Jahre später anders, als es um die illegale Verfüllung des entstandenen Aushublochs ging. Hier wurde der Widerstand doch bedeutend größer und zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich 1983, konnte die illegale Müllkippe gesperrt werden. Das Ganze mündete nochmals einige Jahre später in der Verhaftung und Verurteilung des Betreibers der illegalen Mülldeponien, der Schaden bleibt aber bis heute bestehen, eine Renaturierung hat es nicht gegeben.
Im Fall von Center Parcs konnte das Projekt verhindert werden, der Widerstand in den Gemeinden war einfach zu stark. Ob nun die Bodenbeschaffenheit zum Abblasen des Projekts führte, oder das Ergebnis der Gemeinderatswahlen in Raeren, oder vielleicht beides, spielt in der Begründung keine Rolle. Ohne den Druck der Bevölkerung im Verbund mit den Umweltaktivisten wäre die Entscheidung wohl anders gelaufen. Auch im Nachhinein betrachtet bleibt diese Absage an das Ferienhausprojekt richtig und gilt als Lehrbeispiel für erfolgreichen Naturschutz. Natur- und Umweltschutz bleibt bis heute schwierig und muss sich stets mit einer, sehr oft unverständlichen Überheblichkeit und Ignoranz der Politik auseinandersetzen.
Dies war auch später zu erkennen bei dem Projekt Business Golfhotel im Freyenter Wald von Lichtenbusch. Der Umweltschutz hatte es sehr schwer gegen die Gemeinderäte und die politischen Vertreter. Die Auseinandersetzung in der Gemeinde Raeren lief fast zeitgleich ab mit der gegen das Center Parcs-Projekt in Brennhaag und endete nach einer „Volksbefragung“ am 18. Juni 1989 ebenfalls mit einem Rückzug der Politik. Die Chronologie finden Sie in einem weiteren Blog.
Walther Janssen
Hauset, März 2023
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Ludwig Gielen (Dienstag, 14 März 2023 22:32)
Hallo Herr Janssen,
wo find ich denn den Blog zum geplanten Golfplatz in Lichtenbusch?
HG Ludwig Gielen