50 Jahre Natur. und Umweltschutz in Raeren
Prolog
Es ist in diesen Tagen etwa 50 Jahre her, dass in unserer Heimat, im Eupener und im Sankt Vither Land, der Umweltschutz so langsam in das Bewusstsein der Bürger rückte. Im Jahr 1971 war gerade Greenpeace gegründet worden und der Schutz der Umwelt wurde damit zunächst ein globales Anliegen, noch bevor sich in unseren europäischen Ländern erst Initiativen und dann Parteien gründeten. In Deutschland entstand die Anti-Atomkraft Kampagne (Atomkraft? nein danke!). Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein verhielt es sich auch in den Gemeinden des deutschen Sprachgebiets nicht anders. AVES-Ostkantone zum Beispiel setzt sich seit 1969 für die Belange des Umweltschutzes in Ostbelgien ein, TERRA-Ostbelgien folgte 1988.
In Würdigung und Anerkennung des Einsatzes für den Schutz der Umwelt und den Erhalt der Natur in diesen letzten fünfzig Jahren durch die Bevölkerung der Gemeinde
Raeren, folgt hier die Chronik von einigen ausgesuchten Ereignisse in dieser Zeit. (Skizze Archiv Grenz-Echo Januar 1988)
In diesen Beiträgen wird die Bewusstseinsbildung und der Einsatz der Einwohner für den Umwelt- und Landschaftsschutz der Gemeinden Raeren, Eynatten und Hauset chronologisch aufgearbeitet. Die Bewohner der Gemeinde Raeren können sich an die Fahne heften, von Anfang an mit dabei gewesen zu sein, wenn es galt die Bevölkerung für die Probleme des Umweltschutzes zu sensibilisieren und aktiv gegen umweltschädliche Projekte anzugehen. Somit sind diese Schilderungen eine Art Hommage an die Umweltaktivisten, die sich diesen Projekten in den Weg stellten.
Die vier Hauptbeeinträchtigungen von Natur und Umwelt, die behandelt werden sind:
- Die zügellose Bautätigkeit unter Missachtung des Sektorenplans
- Der Sandabbau am Bingeberg im Ortsteil Flög in Hauset
- Die Planung eines Ferienparks durch die Firma Center Parcs in Brennhaag (Hauset-Hergenrath)
- Die Planung eines Business Golfhotels in Eynatten Lichtenbusch
Die zügellose Ausweitung der Bautätigkeit
Die Einflüsse der Bautätigkeit auf die Umwelt, auch in der Gemeinde Raeren, sind so vielfältig, dass die thematische Behandlung und Chronologie dieser Entwicklung später behandelt wird, sie verlangt mehr Recherche. 1977 bildeten die einzelnen Dörfer neue Verwaltungseinheiten, wie die Gemeinden Raeren und Kelmis, aber schon zuvor, in den frühen 1970-er Jahren, war eine Entwicklung Thema vieler gesellschaftlicher Diskussionen, nämlich die Zersiedelung der Dörfer. Die starke Nachfrage nach Baugrund, auch aus dem Ausland, und das Angebot von Grundstücken seitens der Landwirte und Grundbesitzer, führte zu einem nie gesehenen Bauboom, der über zwei Jahrzehnte anhielt und auch heute noch immer fortbesteht. Dieser Trend führte zu vielen Reaktionen seitens der Bevölkerung. Gegen eine geregelte Bautätigkeit ist grundsätzlich nichts einzuwenden, allerdings geschah dies eben vielfach ungeplant und sorgte sehr oft für Verärgerung und für Widerstand in der Bevölkerung. Über lange Jahre kam es zu vielen Missachtungen des Sektorenplans und der Gesetze für Raumordnung.
Auf die Ansiedlungen im Wohnungsbau und den Ausbau von Gewerbeflächen soll aber wie gesagt in diesem vorliegenden Beitrag nicht eingegangen werden, sie hat aber sicher zu einer Sensibilisierung der Bürger für die Landentwicklung und die Umweltfragen beigetragen. Es war eine Entwicklung, die weit über die Gemeinde Raeren hinausging und bis heute gesellschaftlich auf der Tagesordnung steht, auch wegen fehlender Wohnungen und hoher Mietkosten.
Die Bürger schüttelten oft den Kopf ob der Entscheidungen, die durch die Behörden für Raumordnung getroffen wurden. Der Protest hielt sich aber in Grenzen, denn
meist standen nur Einzelfälle in der „Baugenehmigungsarie“ im Fokus. Auch die Presse vermeldete hin und wieder einige Umweltsünden und Missachtungen der Sektorenpläne, meist nach Recherchen der
Umweltorganisationen wie AVES-Ostkantone oder Terra Ostbelgien.
Inzwischen ist Belgien ein föderaler Staat geworden und die Raumordnung fiel zunächst in die Zuständigkeit der Wallonischen Region. Neuerdings sind diese Befugnisse allerdings auf die deutschsprachige Gemeinschaft übergegangen, sodass man hoffen kann, dass vieles besser werden wird.
Die Zerstörung des Bingeberg
In dem kleinen Dorf Hauset, das 1977 ein Ortsteil der neuen größeren Gemeinde Raeren wurde, war eine andere Umweltsünde Thema, nämlich die Ausbeutung einer
Sandgrube am Bingeberg, einem entlang der Staatsgrenze gelegenen Waldstück am Südausläufer des Aachener Waldes im Weiler Flög. Das Naherholungsgebiet Aachener Wald reichte, über die Grenze
hinweg, bis in die Gemeinde Hauset und war seit Jahrhunderten in topographischen Karten als Bingeberg vermerkt. Über die Geschichte dieser Sandgrube und deren illegaler Verfüllung mit Hausmüll,
Bauschutt sowie mit gefährlichen und umweltschädigen Stoffen wurde bereits in einem Beitrag (Blog) aus dem Jahre 2020 auf der Webseite www.hauset.info berichtet, unter dem Titel: Die Zerstörung des Bingeberg.
Der Blog ist dort nachzulesen und mit Bildern versehen.
Ein neues Umweltbewusstsein
In Raeren kamen allerdings in den 1980-er Jahren zwei neue Planungsvorhaben hinzu, welche die wachsamen Bürger gegen die Verantwortlichen der Gemeinde und gegen die Behörden auf den Plan riefen. Dies war zunächst die Planung für den Bau eines Ferienparks („Centre Parcs“) in Hauset und Hergenrath im Waldgebiet Brennhaag, sowie der Antrag für die Errichtung eines Golfplatzes mit Hotel („Business Golf Hotel“) im Freyenter Wald in Eynatten Lichtenbusch. In diesen eher ländlich geprägten Ortsteilen von Raeren und Kelmis ging die Bevölkerung gegen beide Vorhaben auf die Barrikaden und stellte sich den Planungen der Gemeindeverwaltung in den Weg.
Was trieb die Menschen um? War es die sichtbare Zersiedelung der Landschaft, die Sorge um die Zerstörung einer ländlichen Idylle, die den Menschen Ruhe und Geborgenheit bot oder war es eben auch das wachsende Umweltbewusstsein und der wachsende Einsatz für den Erhalt der Natur?
Bei den meisten Aktivisten und Aktivistinnen war es sicher eine Mischung von alldem. Bezeichnend war, dass nur ein Teil der Bevölkerung sich gegen die Verwirklichung dieser Vorhaben aktiv zur Wehr setzte, oft gab es sogar eine regelrechte Spaltung in den Dorfgemeinschaften, die auch politisch aufgeheizt wurde. Im ersten Fall war es so, dass die Erschließung der Sandgrube nur einen Teil der Bevölkerung belästigte, während der weitaus größere Teil vieles überhaupt nichts mitbekam und das Interesse an Naturschutz oder am Erhalt des Waldes wohl noch nicht in den Köpfen der Menschen verankert war. Im zweiten Fall wurde auf die touristische Bedeutung des Vorhabens für die Gemeinden und die ganze Gegend hingewiesen, Argumente, die man gegen den Erhalt der Landschaft und der Umwelt ausspielte. Im dritten Fall waren es ähnliche Gründe und der Hinweis auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, der herhalten musste in der Argumentation mit den Umweltaktivisten. In allen drei Auseinandersetzungen wurde deutlich, dass zumindest Teile der Bevölkerung schon viel weiter waren als die politisch Verantwortlichen in den Gemeinden, oder man muss sagen in den Gemeindeverwaltungen oder anderen Behörden. Diese ließen nämlich teilweise elementarste Umweltschutzmaßnahmen unberücksichtigt in ihren Argumenten.
Am Ende siegten immer die Natur und die Umwelt und dabei spielte vielleicht eine Rolle, dass inzwischen tatsächlich, und zwar Jahr für Jahr, das Umweltbewusstsein der Menschen zunahm, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass sich Umweltschutzparteien gründeten und viele zivilgesellschaftliche Umweltschutzorganisationen und Druckgruppen entstanden. Im großen Rahmen waren dies in unseren Gefilden die Grünen sowie Ecolo und Groen, aber auch Vereinigungen wie AVES-Ostkantone, TERRA Ostbelgien und einige andere, teils lokale Initiativen.
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Fazit einer Chronologie
Dieses weitere Großprojekt hatte im Laufe seiner Entstehungsgeschichte gezeigt, dass das Umweltbewusstsein bei den Bürgern, auch in der Gemeinde Raeren,
weiterentwickelt war als bei den politischen Verantwortlichen, auch und insbesondere auf der unteren Ebene, im Gemeinderat. Während seit den siebziger Jahren weltweit ein stärkeres Engagement für
den Schutz der Umwelt einsetzte, wurde dies zunächst nur als Folklore betrachtet. Aber der Club of Rome, ein Expertengremium, hatte bereits 1972 den Bericht „Die Grenzen des Wachstums“
vorgelegt und von diesem Augenblick an entstanden weltweit viele Organisationen, die sich den Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben hatten.
Diese vorliegende Chronik wollte deshalb die Entwicklung des Umweltschutzes und die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung der Gemeinde Raeren wiedergeben, und dies in den letzten fünfzig Jahren anhand von vier Beispielen, die eingangs aufgezählt wurden.
In der Bautätigkeit hat sich in diesen Jahren zwar vieles gebessert, aber manches liegt auch noch im Argen. Das Thema kann nicht hier behandelt werden. Richtig ist
allerdings, dass Organisationen wie TERRA Ostbelgien immer gegen Verstöße gegen den Umweltschutz vorfinden und diese publik machten. Das war auch im Fall des zweiten Projekts so, nämlich dem
Sandabbau am Hauseter Bingeberg, der 1977 begonnen hatte und der leider nicht verhindert werden konnte, trotz der Bürgerproteste. Die Bevölkerung war vielleicht noch nicht
aufgeklärt genug. Dies war schon anders als der Betreiber der Sandgrube zu Beginn der 1980-er Jahre die Verfüllung der Sandgrube mit Müll einleitete. Das rief die Anwohner und die Bevölkerung
sowie auch TERRA Ostbelgien auf den Plan, es kam aber nicht zu einer Behebung der Umweltschäden, die inzwischen entstanden waren. Die Betreiber wurden rechtskräftig verurteilt aber die Grube
liegt heute noch unangetastet offen im Gelände, ohne dass eine Renaturierung jemals stattgefunden hätte. Die gesamte Chronik dieses Umweltvergehens ist in einem Beitrag (Blog) dargestellt und
trägt den Titel „Die Zerstörung des Bingebergs“. Dadurch wurden Ende 2022 erneut Studenten am Institut für Architektur der RWTH Aachen auf den Bingeberg aufmerksam. Mit
Kommiliton‘innen und Professoren aus den angrenzenden Landschaften der Euregio forschten sie an einer Erhebung alter Gruben und Steingruben. Dabei wurde deren heutige Nutzung wissenschaftlich
untersucht. Vielleicht ergibt sich hier die Chance und die Möglichkeit, doch noch zu einer sinnvollen Renaturierung dieses Waldstücks im Ortsteil Flög der
Gemeinde Raeren zu kommen, wenn die Politik sich aufgeschlossen zeigt für eine solche Möglichkeit.
In einem getrennten Blog findet der Leser auch einen Videofilm vom März 2023 zu diesem Thema.
Das dritte Projekt, der Ferienpark Center Parcs in Brennhaag konnte gestoppt werden, auch hier kann sich die Umweltinitiative den Erfolg auf die Fahnen schreiben. Es geschah nur kurz vor dem Golfhotel-Projekt.
Das Business Golfhotel Projekt im Freyenter Wald schließlich konnte abgewendet werden und man kann sagen, die Gemeinde hat dies alles überlebt. Die
Attraktivität der Landschaft ist erhalten geblieben, wenn gleich man sich wünschen könnte, dass die Baumaßnahmen koordinierter ablaufen würden. Vielleicht ist dies durch die Übernahme der
Raumordnung als Befugnis der institutionellen Gemeinschaft DG auf bestem Wege. Jedoch muss man auch sagen, dass gerade die Gemeindeebene eine große Verantwortung hat, welche über symbolische
Maßnahmen hinausgehen müsste.
Für die Bevölkerung gilt es also wachsam zu bleiben und sich selbst den neuen Herausforderungen des Umweltschutzes und des Klimawandels zu stellen, auch durch aktive Mitgestaltung. Hierzu gehören die Abschaffung der Nutzung fossiler Energien, der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Verbesserung der Mobilität und der Erhalt der Attraktivität unserer Heimat durch umweltfreundliche Raumordnung.
Eine abschließende Bemerkung zu xenophoben Einstellungen in der Bevölkerung
Ein Wort muss man auch verlieren dürfen über einen negativen Aspekt, der bei all diesen Projektdiskussionen zum Ausdruck kam. Es ist die Einstellung von Teilen der Bevölkerung und der politischen Vertreter gegenüber Zugezogenen. Vor vierzig oder fünfzig Jahren brachen sich diese Ressentiments noch Bahn, wie man auf Veranstaltungen und in Leserbriefen feststellen konnte. Sie spielen aber auch unterschwellig im Alltagsleben noch eine Rolle, so dass man nicht sagen kann, dass diese Xenophobie ganz überwunden wäre. Dies kam zuletzt auch bei den Abschottungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie zum Vorschein. Hatte man mit Entsetzen vor vierzig Jahren festgestellt, dass auch einzelne Politiker noch von dem Virus der Ausländerfeindlichkeit befallen waren (damals meistens gegen deutsche Staatsbürger), so kann man hoffen, dass diese Denkweise heute, nach Maastricht und Schengen, nicht mehr vorhanden ist. Leider beweisen immer wieder einige Äußerungen oder Beispiele, auch im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Migranten, so geschehen in den Jahren 1992 – 1995 und in den Jahren 2015-2017, dass es gilt wachsam zu sein.
Walther Janssen
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