Wenn ich mir die Wahlwerbung auf den Plakatwänden und Tafeln anschaue, kann ich nicht so recht erkennen, dass es sich um eine Europawahl handelt, was da am 9. Juni stattfindet. Sowohl in Deutschland als auch hier in unseren Nachbarländern in Belgien und in den Niederlanden kann ich nur den Eindruck gewinnen, dass mit innenpolitischen Themen versucht wird, auf Stimmenfang zu gehen. Friedrich Merz hat mit eine Einladung zugeschickt, ich solle doch die CDU wählen und in dem Brief verweist er darauf, dass Europa für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand steht. Für mich steht aber Europa heute für Streit, Uneinigkeit, Krieg, soziale Ungerechtigkeit, von Sicherheit kann erst keine Rede sein. Unser Wohlstand ist nicht von dem Verbrenneraus bedroht, auch nicht von den Wärmepumpen und auch nicht von der Verteufelung der Migration. Er ist bedroht von Rechtsradikalismus, von Leuten wie Orban, Le Pen, Meloni, Wilders und noch anderen, die da kommen werden.
Liesa Scholzen - Platz 1 Liste 12 ProDG
Bei keiner Partei finde ich aber, zumindest nicht auf den Plakaten, ein Angebot, wie wir Europa retten können. Denn das wir es derzeit gegen die Wand fahren, steht für mich außer Zweifel. Für mich erkennbar finde ich nur bei den Grünen einen Hinweis auf die Notwendigkeit einer Föderale Europäischen Republik, also einer neuen Union jenseits der Nationalstaaten. Denn die jetzige Union führt uns ins Verderben, allein durch die Unentschlossenheit beim Einsatz für die Ukraine. Deshalb sind wohl auch überall nur die abgehalfterten Politiker zu finden, die uns die jetzige Situation eingebrockt haben. Die sogenannten Volksparteien haben sich dabei um Ursula Von der Leyen geschart, einer Politikerin, die schon an mehreren Stellen gescheitert ist. Wie wollen wir mit ihr unsere Zukunft gestalten? Schon jetzt verbündet sie sich mit den Rechtskonservativen, um nicht zu sagen rechtsfaschistoiden Vertretern aus Italien, um eine Mehrheit für sich herbei zu führen. Jahrelang haben CDU/CSU zum Beispiel Orban hofiert, und was hat es gebracht? Orban ist augenblicklich einer der gefährlichsten Gegner der europäischen Idee, die von innen zerstört werden soll.
In all dieser Gemengelage weiß ich nicht mehr ein noch aus. Etwas glücklich kann ich mich schätzen, dass ich im Großraum Aachen Daniel Freund von Bündnis90/Die Grünen auf dem Wahlzettel stehen habe, damit man mit einigermaßen stabilem Gewissen zur Wahl gehen kann. Er hat in den letzten fünf Jahren Hass und Hetze bekämpft und ist vehement gegen Korruption und Rechtsextremismus à la Orban zu Felde gezogen.
Im Wahlbezirk Verviers im Osten Belgiens, wo die deutschsprachige Gemeinschaft über einen Sitz im Europaparlament verfügt, kann man eigentlich nur Liesa Scholzen wählen. Sie gehört der Wählergemeinschaft ProDG an, die in Eupen den Ministerpräsidenten der autonomen Gemeinschaft stellt. Wenn Liesa Scholzen sich auch nicht sonderlich durch einen visionären europäischen Kurs hervorgetan hat, so tritt ProDG aber eindeutig für ein föderales Europa ein und so selbst ist sicher aufgrund ihres beruflichen Werdegangs geeignet. Der jetzige Abgeordnete Pascal Arimont folgt hingegen strikt der Linie der PPE, also der Konservativen, die Orban bis kurz vor Schluss die Tür aufgehalten haben.
Aber wie schrieb jemand (ECFR) auf Twitter: Um die Wählerschaft zu mobilisieren müssen die pro-Europa Parteien mit einer greifbaren Vision von einem geeinten Europa begeistern. Bei den Parteien wie die CDU, die SPD, die FDP sind aber solche Visionen nicht zu erkennen. Lieber verstrickt man sich in dem Klein-Klein der täglichen Gehässigkeiten und geht damit auf Stimmenfang. Die Mobilisierung für eine europäische Zukunftsvision wird somit scheitern befürchte ich, und der Drang nach rechts geht unvermindert weiter.
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