Die neue belgische Epoche nach 1945
Schon ab September 1944 versuchte die belgische Verwaltung wieder Fuß zu fassen. Die Amerikanische Militärverwaltung setzte dem Treiben der sogenannten „Armée Blanche“ nach wenigen Wochen ein Ende, aber nun setzte die später sogenannte Säuberung ein. Nach dem Kriege wollten die belgische Regierung, die Verwaltung und die Behörden ein erneutes Gefühl des Deutschseins erst nicht mehr aufkommen lassen. Den Menschen war auch nicht danach zu Mute. Entsprechende Tendenzen, sofern sie denn bestanden, wurden im Keim erstickt. Das Französische erhielt in der Schule und in der Verwaltung einen höheren Stellenwert. Aber recht schnell regte sich doch, nennen wir es nicht Widerstand, aber doch eine Rückbesinnung auf die Zugehörigkeit zur deutschen Kultur, ohne dass dies „national“ geladen war. Was die Menschen in ihrem Innern dachten, war schwer zu ergründen. Bei Parlamentswahlen wählten oft bis zu 25% der Wahlberechtigten „weiß“ oder ungültig. Ein Teil der Bevölkerung war also noch nicht „angekommen“. Im Zuge der Kulturautonomie entstand auch später eine neue regionale Partei, die sich für die Interessen der deutschsprachigen Bürger einsetzte, dazu später mehr.
Beginnen wir die Geschichte über die unmittelbare Nachkriegszeit wieder mit den bereits bekannten Kategorien, Verwaltung, Kirche, Schule und dem Vereinsleben. Am 1. Januar 1945 wurde Josef Lorreng zum Bürgermeister ernannt. Im Winter 1945 tobte der Krieg ja zunächst noch weiter, ehe am 8. Mai 1945 das Deutsche Reich kapitulierte. Bereits im März verhafteten die Behörden Pfarrer Nikolaus Trenz. In Hauset gab es bei einer Einwohnerzahl von 756 über 17 Aberkennungen der belgischen Staatsbürgerschaft, mehr als der Durchschnitt in den anderen Gemeinden der Kantone. Es kam zu vielen Gerichtsverfahren im Zuge derer auch Hauseter Bürger inhaftiert wurden, dies galt auch für Angehörige der Wehrmacht, die aus dem Krieg zurückkehrten. In der Kirchenverwaltung übernahm Pater Johann Mende kommissarisch die Betreuung der Pfarre. Aber schon im April hatte Bischof Kerkhoffs aus Lüttich den Pfarrer von Thommen, Joseph Duschak, die Leitung der Pfarre angetragen, er kam am 9. Mai nach Hauset. Pastor Duschak war überrascht, dass Hauset gar nicht zerstört war, das kannte er von Thommen anders.
An der Gemeinderatssitzung vom 1. Mai 1945 nahmen von dem Gemeinderat, der 1938 gewählt worden war, nur die Herren Josef Lorreng, Johann Kirschfink und Heinrich Lambertz teil. Sekretär war Hubert Offermann. Lambert Lenz wurde wieder als Feldhüter eingesetzt. Auch in der Schule wurden die Lehrerstellen neu besetzt. Am 11. Juni 1945 kam Frl. Winners aus Eupen, am 17. Juni 1945 kehrte Jules Cravatte zurück für die Oberklassen. Die Mittelstufe übernahm Frl. Xhayet. Sie verließ die Schule ein halbes Jahr später, für sie kam Josef Scheen. Pastor Duschak wurde am 17. Juli 1945 offiziell in sein Amt eingeführt.
Mit diesen personellen Veränderungen war ein Grundstock für die nächsten Jahre gelegt.
Von den Vereinen trat als erster der Gesangverein St. Cäcilia wieder in Erscheinung und präsentierte am Heiligabend eine vierstimmige Messe, eine Tradition die jahrzehntelang aufrechterhalten
wurde. Auch das kirchliche Leben war wieder in Ordnung, zumal die erste Kollekte so viel Geld eingebracht hatte, dass die Kirche erstmal ihre Sorgen los war (Originalton Pfr.
Duschak).
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Für alle weiteren Ereignisse aus diesen Jahren verweisen wir auf den Beitrag „Hauset nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 – 1976“ von Walther Janssen im Kapitel 2 des „Heimatbuch Hauset Band 2“.
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Die eigenständige Gemeinde Hauset bis 1976
Fassen wir diese Zeitereignisse hiernach zusammen.
1946 fanden Gemeinderatswahlen statt und Joseph Lorreng wurde nun auch zum gewählten Bürgermeister ernannt. Er blieb dies für 12 Jahre. Hauset zählte nun 781 Einwohner, 309 Männer und 472 Frauen. Neben der Zeit, die allgemeinhin von den Historikern die „Säuberung“ genannt wird, begann auch in Hauset ab 1947 die Schmuggelzeit. Pfarrer Duschak schrieb in seiner Pfarrchronik „… alle Hauseter Familien sind am Schwarzhandel beteiligt. Die Waren werden von Schleppern über Eupen und Merols (hier endete die Kleinbahn von Eupen kommend) in die Sperrzone gebracht. Hausdurchsuchungen durch Zollbeamte sind an der Tagesordnung. Es wird gestohlen was nicht niet- und nagelfest ist.“
Bei den Gemeinderatswahlen von 1952 stellte man nur eine Liste auf, so dass keine Wahlen stattfanden. Josef Lorreng blieb Bürgermeister. Auf ihn folgte 1958 Heinrich Heutz, der einen moderneren, jugendlichen Führungsstil einbrachte. Er wurde bei den Gemeinderatswahlen von 1964 wieder gewählt und blieb Bürgermeister bis 1970. Als letzter Bürgermeister der Gemeinde Hauset wurde 1970 dann Mathias Aussems gewählt, der dieses Amt ausübte bis zur Gemeindefusion von Raeren, Eynatten und Hauset, die 1977 in Kraft trat.
Das Gemeinwesen in Dorf, Pfarre und Gemeinde blühte in Hauset in den nächsten Jahrzehnten auf. Nachfolger von Pfarrer Duschak wurde 1954 Robert Pankert. Nach dessen frühen Tod folgte für kurze Zeit Franz Jägers (1965), der aber nur ein Jahr in Hauset blieb. Ein Glücksfall für Hauset war dann die Ernennung von Pfarrer Jean Levieux im Jahre 1966. Seine Zeit dauerte bis zum Jahr 2000, als er in den Ruhestand ging. An diese vielen Jahren erinnern zahlreiche kirchliche wie auch zivilgesellschaftliche Feste, die in Hauset gefeiert wurden. Das Dorfleben blühte nicht nur in der Kirche, sondern auch in den Vereinen richtig auf, auch und vielleicht gerade weil viele Menschen Hauset zu ihrem Wohnsitz wählten und die Einwohnerzahl sich bis 2002, dem Todestag von Pastor Levieux, nahezu verdoppelt hatte.
Durch den Zuwachs in der Bevölkerung entwickelt sich auch die Gemeindeschule äußerst günstig. Hauptlehrer Jules Cravatte ging 1961 in den Ruhestand, ihm folgte Jean Thunus. Für die Erstklässler kam wenige Jahre nach dem Ausscheiden von Frl. Winners nun Juliane Frank, verheiratete Wetzels als Erzieherin nach Hauset. Sie blieb auch bis zu ihrer Pensionierung im Dienst der Gemeinde. Auf Hauptlehrer Thunus folgte Gottfried Koonen, der bis zu Beginn der 90er Jahre hier blieb. Auf ihn folgten Aloys Stickelmann und Bernd Radermacher, der heute noch Hauptlehrer der Gemeindeschule Hauset ist.
Über das Vereinsleben in Hauset kann man berichten, dass es in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts noch sehr intensiv war. Nicht nur die Schützen feierten in regelmäßiger Abfolge ihre Stiftungsfeste, denn in den 80er Jahren bestanden sie alle seit 100 Jahren. Sie waren aber auch im zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Leben des Ortes stark verwurzelt. So gestaltete der St. Cäcilia-Gesangverein nicht nur die Messfeiern, besonders an den hohen Feiertagen. Eine eigene Theatergruppe führte auch regelmäßig volkstümliche Stücke auf. Die Schützenvereine hatten es geschafft auch einen Teil der Jugend zu begeistern für sportliche Schießwettstreite. Der Kegelsportclub „Brettrein“ stellte regelmäßig belgische Meister und in den 90er Jahren sogar Europa- und Weltmeister im Einzel, im Tandem und im Mannschaftskegeln. Es entstanden sogar zwei neue Sportvereine im Fußball, die beide in den Amateurligen mithalten konnten. Der F.C. Gut Schluck führte sogar jährlich eine ebenso amüsante wie erfolgreiche karnevalistische Kappensitzung durch, die über 15 Jahre Kultstatus innehatte. In den ersten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts übertrug der Verein diesen Kultstatus auf ein Oktoberfest, welches Jahr für Jahr mehrere hundert Gäste nach Hauset lockt. Ebenso gelang es einem Marsch-Club Micky Mäuse hunderte Wanderfreunde aus der ganzen Gegend jedes Jahr nach Hauset zu locken, um die reizvolle Landschaft zur Gesundheitsförderung zu durchwandern. Über Jahrzehnte hatte sich also ein überaus intensives Dorfleben entfaltet, die vielen kleinen Initiativen rund um Kirche, Schule, Erziehung und Weiterbildung nicht einmal aufgezählt.
Auf der wirtschaftlichen Ebene hatte sich nach dem Kriege vor allen Dingen in Deutschland Armut breitgemacht, die über mehrere Jahre den Schmuggel von Waren und Gütern gedeihen ließ. Man kann der Pfarrchronik und den Presseberichten entnehmen, dass in Hauset viele Bewohner in irgendeiner Form am Schmuggel beteiligt waren und einen gewissen Vorteil daraus zogen. Als die Schmuggelzeit Anfang der 50er Jahre abebbte, wuchs die Bedeutung des Grenzübergangs Köpfchen. Er brachte dem Dorf nicht nur Arbeitsplätze und anderweitige Einkommen, sondern auch eine gewisse Bedeutung. Hauset lag an einer wichtigen Achse des Warenverkehrs zwischen Frankreich und Belgien auf der einen Seite und dem Rheinland und Deutschland auf der anderen Seite. Als 1964 das Autobahnzollamt Lichtenbusch eröffnet wurde, verschob sich der Grenzverkehr dorthin. 1993, mit dem Gemeinsamen Markt in der EWG, verlor der Zoll in Hauset ganz seine Bedeutung.
Ende der 60er Jahre wurde Hauset auch an das Wasserversorgungsnetz angeschlossen, und noch in den 90er Jahren wurde eine Gasleitung von der Grenze bei Lichtenbusch bis nach Zeebrügge eingeweiht. Ähnlich wie die Eisenbahnlinie führte auch diese Leitung teilweise über Hauseter Gebiet. Die alte Eisenbahnbrücke über die Göhl wurde bis 1999 neu errichtet und es entstand im Ortsteil Prester eine neue Brücke für die neuen Hochgeschwindigkeitszüge, die ab 2008 von Köln nach Brüssel, Paris und London verkehrten. Schließlich entstand in den 80er Jahren noch ein bescheidenes Gewerbegebiet am Aachener Busch (Waldring), welches allerdings eine relativ kleine Bedeutung erlangte. Andere Gewerbe waren bis auf einige Handwerksbetriebe und eine Bäckerei nicht vorhanden. Die Landwirtschaft ging stark zurück. Gab es 1946 noch 46 landwirtschaftliche Betriebe, so sind es 60 Jahre später deren nur noch drei.
Somit richteten die Bewohner ihre beruflichen Aktivitäten sowohl nach Belgien als auch nach Deutschland aus. Ab den siebziger Jahren zogen immer mehr deutsche Staatsangehörige nach Hauset, in den für sie nahe gelegenen Grenzort von Aachen. Es entstanden einige Siedlungen, aber auch viele schöne Einfamilienhäuser und Villen, die sich im Allgemeinen, bis auf wenige Ausnahmen, harmonisch in die Landschaft einfügten. Hauset zählte 1977 1150 Einwohner, im Jahr 2002 waren es 1567 und im Jahr 2011 sogar 2010 (NEUBAUTEN)
In den Jahren von 1970 bis 1990 verwandelte sich das Königreich Belgien in einen Bundesstaat. 1962/1963 traten zunächst die Sprachgesetze in Kraft, die das Land entlang von Sprachgrenzen teilten. Mitte der 60er Jahre startete dann auch die Diskussion über die Kulturautonomie der einzelnen Landesteile, die 1971 zu einer ersten Verfassungsreform führte. Die deutschsprachigen Gemeinden erhielten diese Kulturautonomie in der Verfassung garantiert und 1973 wurde in Eupen ein „Rat der deutschen Kulturgemeinschaft“ eingesetzt. Ab 1977 schlossen sich die 25 Gemeinden zu neun größeren zusammen und somit gehört Hauset seit dem 1. Januar 1977 zur Gemeinde Raeren. In weiteren Verfassungsänderungen kam es in Belgien zur Gründung von Regionen und Gemeinschaften. Als eine solche wurde die deutsche Kulturgemeinschaft anerkannt. Der Status einer Region nach der Verfassung bleibt ihr jedoch bis heute verwehrt, wenngleich das Parlament der deutschsprachigen Gemeinschaft (PdG) sowie die Regierung und die Verwaltung inzwischen auch viele regionale Kompetenzen ausüben.
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